Vom 7. – 11. August bin ich die diesjährigen Fjällräven Classics mitgewandert.
Nach einer mehrtägigen Anreise mit unserem 110er durch Schweden näherten wir uns langsam dem Kebnekaise-Massiv in Nikkaluotka. Beim Anblick dieses Bergmassivs in schönstem Sonnenschein war uns noch nicht ganz klar, was uns dort erwartete…
So ganz in der Ferne sah dies alles ganz friedlich aus, auf uns warteten 110 spannende und anstrengende Kilometer mit vollem Gepäck.
Die Registration in Nikkaluotka verlief völlig unspektakulär, man bekam seinen Laufpass in die Hand gedrückt in dem man die Stempel der jeweiligen Stationen sammeln musste, eine Informationsbroschüre auf Deutsch und eine Karte im Maßstab 1:50.000, die den gesamten Weg umfasst (ich hätte also nicht extra eine Karte des Gesamten Gebietes kaufen müssen, -wenn ich diese Information vorher gehabt hätte). Danach wurden wir zu einem Container geschickt, wo das Essen und die Gaskartuschen für die Tour ausgeteilt wurden. Wir bekamen jeder einen Stapel Fertignahrung in Tüten und zwei Primus-Gaskartuschen in die Hand gedrückt (auch hier: hätten wir unsere mitgebrachte zu hause lassen können…).
Wir schlugen unser Zelt in der Nähe der Bergstation auf und trafen dort bereits den ersten Schweden, der sich schon früh zu Bett legte, weil er an diesem Freitag in der ersten Startgruppe starten würde… Er wollte die Strecke in 20 Stunden laufen. Richtig: 110 Kilometer in 20 Stunden. Unsere Ambition war eher überhaupt das Ankommen, wenn überhaupt spekulierten wir auf eine Bronzemedaille, die man erhält wenn man die Strecke in 5 Tagen schafft…
Am morgen packten wir unsere Rucksäcke und obwohl wir im Vorfeld alles ordentlich geplant hatten kamen wir mit dem Proviant nicht unter 20 Kg. Nach dem ersten Packen hatten wir jeder 25 Kilo auf dem Buckel, nach nochmaligem Umpacken knapp 22 Kilo. Damit war das Nötigste eingepackt, -so dachten wir- einiges hätten wir aber noch optimieren können und im Nachhinein haben wir feststellen müssen, dass jeder von uns 5 Kilo zu viel gepackt hatte. Als absolute Obergrenze sehe ich jetzt 16 Kilo für einen 110 Kilometer Marsch.
Der erste Teil des Weges ging durch flaches Grünland mit einer leichten Steigung, meist auf ausgelegten schmalen Bretterwegen.
Da wir eine halbe Stunde später als unsere Gruppe gestartet waren, hatten uns am Nachmittag schon die schnellsten der nächsten Startgruppe eingeholt. An manchen Stellen führte der schmale Bretterstieg durch dichtes Birkengehölz, über Flüsschen oder links Felsen und rechts Moorast, weswegen das sich gegenseitig ausweichen auch mit den schweren Rucksäcken auf dem Rücken etwas schwierig ist. Wenn man dann stundenlang drängelnden Leuten platz gemacht hat und immer wieder von genervten Joggern im Rücken getrieben wurde, dann kann das ziemlich nervig werden. Schnell wird klar, dass es hier einige als absolut sportliche Herausforderung nehmen, -keineswegs das familienfreundliche Wanderevent, als dass Fjällräven es gern verkauft.
Auf unserer Tour haben wir tatsächlich eine schwedische Familie getroffen, Vater, Mutter, Tochter und Sohn (zwischen 8 und 10 Jahren), die die Wanderung in einer bewundernswerten Stärke auch absolviert haben, allerdings gehörte dazu eine gehörige Portion Disziplin.
Die erste Nacht verbrachten wir schon vor dem Ziel der ersten Etappe, in einem Birkenwäldchen, wo sich schon einige zu einer kleinen Zeltstadt versammelt hatten. Schon gleich hieß es die ersten Blasen versorgen und die Kniebandage anlegen…
Am nächsten Tag ging es zur ersten Bergstation, eine kurze Rast und dann die zweite Etappe nun schon steiler werdend zur zweiten Station. Auf dem Weg zur zweiten Station trieb uns in den Abendstunden die Aussicht auf einen warmen Kaffee oder eine kalte Cola nach vorne, in der ersten Station gab es Bewirtung und die Beschreibung der zweiten Station ließ ähnliche Hoffnung zu, umso enttäuschter waren wir, als wir dort ankamen und es keinerlei Versorgung gab… Es war dort lediglich ein Fjällräven-Zelt aufgebaut, wo man den Stempel bekam, nicht einmal ein warmer Kaffee oder ähnliches, mit den versprochenen Blasenpflastern wurde ziemlich gegeizt und in der Station selbst gab es nichts.
Hier fingen wir an den kleinen Beschreibungen der Tour zu misstrauen: was sich in der Beschreibung als
Die Strecke ab dem Schild ”Singistugorna 3” bis nach Singi kommt vielen wesentlich länger vor. Mach eine Pause, bevor es bergab geht.
liest ist eine euphemistische Umschreibung für: am späten Abend wird das letzte Teilstück nochmal richtig steil und die Kilometerangaben auf dem Schild stimmen hinten und vorne nicht (Luftlinie vielleicht, den gewundenen Pfad gelaufen ist es das Doppelte), mach eine Pause hieß: am besten isst Du nochmal was, sonst schaffst Du das nächste Stück nicht ohne völlige Entkräftung…
Links und rechts des Weges erhoben sich die Felsmassive und Ausläufer des Kebnekaise, die immer für ein atemberaubendes Ambiente sorgten.
Oder Wiesenflächen mit Wollgras und in einiger Entfernung grasende Rentiere.
In den weiteren Beschreibungen sind uns noch häufig solche verklärenden Beschreibungen begegnet. Nach dem zweiten Tag konnten wir einschätzen was sich dahinter verbarg, wir waren aber trotzdem jedes Mal enttäuscht, wenn sich die Teilstrecke als wesentlich schwieriger erwies als in diesen Beschreibungen mit einem Satz abgetan. Eine realistischere Beschreibung hätte uns geholfen die Tagesetappen sinnvoller zu planen und hätte evtl. an der ein- oder anderen Stelle eine bittere Ernüchterung erspart.
Zunehmend verschlechterte sich das Wetter, und wir waren am Zweifeln, ob wir den Rest der Tour überhaupt machen wollten. An dieser Stelle befanden wir uns an der Möglichkeit noch abbrechen zu können ohne größeren Schaden zu nehmen.
Als wir an der zweiten Station ankamen wurden wir von einem deutschen Betreuer angesprochen, ob wir einen deutschen auf dem Weg hin zur Station gesehen hätten… Dieser hatte ein verletztes Knie, und da sie keine Möglichkeit gehabt hätten ihn ausfliegen zu lassen haben sie ihn auf den Weg 20 Kilometer zurück geschickt. Richtig gelesen: es gibt keinerlei Möglichkeit -außer bei ernsthaften Verletzungen- die Tour abzubrechen. An zwei der fünf Station gäbe es die Möglichkeit für 500.- EUR per Helikopter ausfliegen zu lassen. In allen anderen Fällen hieße es: weiter machen, egal was kommt.
So hatten wir uns das nicht vorgestellt und da wir auch schon leicht angeschlagen waren (Blasen an den Füßen und Schmerzen in den Knien), war dies ein Punkt der Entscheidung: weiter über den Pass (bei schlechtem Wetter)? Oder hier zurück gehen und lieber abbrechen.
Wir sind weiter gegangen und kamen am Abend darauf an der nächsten Station an, die uns etwas freundlicher empfing, immerhin gab es hier einen kleinen Shop, in dem man einige Artikel für den eigenen Bedarf einkaufen konnte. Wir deckten uns mit Fertiglebensmitteln für eine warme Mahlzeit (Köttbullar m. Soße und Kartoffelbrei ) ein und kauften zwei Leichtbier, danach war die Welt wieder einigermaßen in Ordnung.
Die in der Beschreibung zur Station versprochene Sauna war eine kleine Hütte, als wir sie betraten standen schon 6 Leute im Vorraum vor der 6 Quadratmeter-Sauna, wir stellten uns nackt und frierend hinzu und in der Sauna saß eine Gruppe deutsche Mitwanderer, die drinnen am lachen und diskutieren waren und das Feuer ausgehen ließen. Geschlagene 20 Minuten verließ keiner von denen die Sauna, obwohl sie sahen, dass sich draußen eine frierende Menge bildete, bis ein cleverer alter Schwede auf die Idee kam denen tüchtig einzuheizen, dass die ersten beiden die Lust verloren. Trotzdem bekamen wir erst einen Platz als wir anfingen uns zu beschweren. In einer solchen Situation, wo man sieht dass der Platz begrenzt ist, wäre mehr Rücksicht sicherlich angebracht gewesen. Es war ja klar zu sehen, dass wir uns nicht im Wellness-Spa Bereich einer Hotelanlage befanden, wo man sich gemütlich eine halbe Stunde in die Sauna fleetzen kann.
Die anschliessende Nacht, bei mittlerweile immer mehr zunehmendem Polarlicht verbrachten wir in der Nähe der Station. Das folgende Bild ist nachts um zwei aufgenommen und dunkler wurde es in der Nacht auch nicht.
Morgens in der Frühe grasten die Rentiere zwischen den Zelten:
Am nächsten morgen haben wir für den Übergang über den Pass einen netten Guide von Fjällräven angesprochen, der versprach uns über den Pass zu begleiten. Also sind wir in einer kleinen Gruppe mit noch einer Handvoll weiterer Leute und dem Guide über den Tjäkta Pass gestiegen.
Am Wegesrand fanden sich in der kärglichen Vegetation immer wieder auch ein paar Kleinode und Besonderheiten der Bergwelt.
Auf der anderen Seite des Passes verabschiedeten wir uns von dem Guide und liefen auf den nächsten Kontrollpunkt zu, der sich in dem Fall als ein einsames Zelt in der weiten Bergwelt erwies. Rundherum keine Möglichkeit zu zelten und das Wetter wurde richtig mies, auf den Bergspitzen ringsherum schneite es leicht, und es wurde klar, dass wir an diesem abend (es war schon 6) noch 15 Kilometer laufen mussten um zum nächsten einigermaßen geschützten Zeltplatz zu gelangen.
An diesem Punkt kippte die Laune und wir waren nicht nur auf die Tourplanung von Fjällräven sauer.
Nach ein paar Stunden Marsch durch den Regen campierten wir mitten im Nirgendwo etliche Kilometer vor der nächsten Station.
Der Regen fiel auf den Spitzen der umliegenden Berge schon als Schnee.
Der Kungsleden verlief hier als ziemlich ausgetrampelter Pfad in der unbelassenen Bergwelt, und die Markierungen sind relativ undeutlich. Schritt für Schritt muss man sich den Weg zwischen den Felsen selbst suchen.
Am nächsten Tag ging es über eine ziemlich weitläufige Ebene die restlichen Kilometer hinauf zur Alesjaurestugan, wo man wieder auf eine wenigstens rudimentäre Versorgung traf. Eine kurze Verschnaufpause im herrlichsten Sonnenschein und ein paar Bockwürstchen aus der Dose (man ahnt gar nicht wie lecker diese nach ein paar Tagen Outdoor-Fertignahrung plötzlich sein können) später und wir stiegen schon wieder hinab ins Tal des Alesjaure.
Am Ufer des Sees befindet sich die einzige Siedlung im 50 Kilometer Umkreis, ein nur während der Sommermonate bewohntes Samendorf.
Der restliche Weg der Etappe schlängelte sich an am Ufer des ziemlich weitläufigen Alesjaure entlang. Auch hier gilt: den Hinweis nochmal Wasser mitzunehmen ernst zu nehmen, denn es gibt einige Kilometer kein trinkbares Wasser mehr. Das kann an einem sonnigen Nachmittag schon zu einem Versorgungsproblem werden.
Am späten nachmittag zog eine weitere Regenfront auf und die letzten Kilometer bis zur vorletzten Station Keronbacken werden in der Beschreibung als ‘anstrengend’ gepriesen und sie sind es wirklich.
Der gesamte Kungsleden ist nichts anderes als ein einfacher Pfad in der Landschaft, der mehr oder weniger unbefestigt ist (ausgenommen die Teile, die mit Holzbeplankung versehen sind, die sonst aber nicht begehbar wären), es ist ein anderes Niveau mit 20 Kilo auf dem Rücken zwischen Felsbrocken den weg ständig mit den Augen suchen zu müssen, als auf einem ausgebautem deutschen Waldweg zu gehen. Vernünftige Wanderstöcke (2!) sind nicht zu unterschätzen und in meinen Augen ein Muss. Das letzte Drittel des Weges ist hier besonders felsig und zudem am Ende noch geneigt und mit großen Felsbrocken durchsetzt, der Abstieg am Ende zum Checkpoint wird nach 15-20 Kilometern Tagesleistung zur Qual.
Als wir endlich dort ankamen regnete es in einem fort und wir fanden nur das Zelt zum Abstempeln des Passes vor.
Wenigstens gab es dort eine heiße Waffel, einen Kaffee und etwas Sahne. Wir stierten in den Regen und nach einer Stunde Pause war klar: wir machen den großen Wurf und versuchen so weit wie möglich Richtung Abisko zu kommen, um dem Dauerregen nicht weiter ausgesetzt zu sein. Eine weitere Nacht in Durchnässten Klamotten im Zelt wollten wir uns nicht antun.
Die ersten Kilometer abends Rund um den Nissanjåkka verliefen noch recht hoffnungsfroh, der Regen hatte etwas nachgelassen und wir kamen anfangs ganz gut voran. Später in der Nacht verließ uns allerdings das Glück, wegen der Bewölkung fehlte das Polarlicht und der stärker werdende Regen ließ den Pfad teilweise schlecht passierbar werden, immer wieder mussten wir große Wasserpfützen umlaufen und größere Umwege um den eigentlichen Pfad machen. Wir orientierten uns mit Hilfe von Taschenlampe und dem in der Situation unverzichtbar werdenden GPS-Gerät (in der Situation war es wirklich eine große Hilfe, den Rest der Tour benötigt man es höchstens um die Entfernungen zu bestimmten, der Pfad ist sonst nicht zu verfehlen), und schafften es in der Nacht um zwei bei strömenden Regen noch zu der einzig möglichen Campinggelegenheit etwa 5 Kilometer vor dem Ziel in Abisko. Völlig entkräftet und durchnässt bauten wir das Zelt für die Nacht auf und waren froh für ein paar Stunden wenigstens ein Dach über dem Kopf zu haben und etwas ausruhen zu können.
Am nächsten morgen hatte der Regen aufgehört und nach einer kleinen Stärkung mit der letzten Portion Reis im Gepäck liefen wir die letzten 5 Kilometer mehr humpelnd als marschierend bis zum Ziel in Abisko.
Beim Zieleinlauf in Abisko wurden wir freundlich empfangen, allerdings war ich für meinen Teil mit den Kräften so sehr am Ende, dass ich einfach nur froh war, dass dieses Abenteuer heil überstanden war und die Freude war eher dies alles ohne größere Schäden überstanden zu haben, eine ziemliche Erleichterung in der Situation und die Anstrengung der letzten Tage machte sich deutlich bemerkbar.
Rückblickend muss ich sagen, dass ich diese Tour (oder einen anderen Teil des Kungsleden) nochmal gehen würde, allerdings dann mit den Informationen und Erfahrungen die man gesammelt hat unter anderen Voraussetzungen. Fjaellraven gibt im Voraus einige Informationen über die Strecke heraus, und hat aktuell die Webseite nochmal überarbeitet und die Informationen deutlich ergänzt, aber mit dem Wissensstand mit dem wir losmarschiert sind, haben wir das Ganze etwas unterschätzt und dies betraf auch andere Mitwanderer. Für einheimische Schweden stellen die gelieferten Informationen wohl alles zur Verfügung was sie benötigen, aber für einen normal trainierten Mitteleuropäer fehlt hier noch einiges in den Beschreibungen (mittlerweile wurde hier nachgebessert). Ich kann jedem, der diese Tour machen will nur wärmstens ans Herz legen einen unscheinbaren Tipp von der Fjällräven Seite unbedingt zu beherzigen: trainiert vor der Tour das Gehen mit schwerem Gepäck mindestens 150 Kilometer lang…
Wer 150 Kilometer mit Gepäck hier auf schönen Wanderwegen gewandert ist, hat gerade genug Ausdauer und Erfahrung um mit den schwedischen Verhältnissen zurecht zu kommen.
Trotz der Anstrengung gab es auf der Tour immer wieder mal einige Momente in denen man sich erholen konnte und den Blick in der Landschaft schweifen lassen konnte, die an sich genommen ziemlich beeindruckend und wunderschön ist, dass man am liebsten länger bleiben und den Augenblick genießen möchte, das werde ich nochmal nachholen, -vielleicht auch nochmal auf einer der kommenden Fjällräven Classics ? Wir werden sehen…